Ein Leben nach der Tongrube

Am Anfang eines Ziegels stehen Ton und Lehm. Ohne diese Rohstoffe geht nichts in der Produktion. Doch wo kommen sie her, wie spürt man Vorkommen auf und was passiert, wenn eine Grube wieder geschlossen wird?


Hartmut Brem kämpft sich öfters mal durch den Dschungel. Doch statt Lianen und Schlangen verwehren ihm eher manns­hohe Papier­stapel den Marsch durch das Dickicht. Er braucht einen langen Atem und sehr viel Geduld, damit der Strom an Lehm und Ton für die Dach­zie­gel­pro­duk­tion niemals abreißt. Gedank­lich ist er eher in Dekaden unter­wegs als in Jahren – wohl mit ein Grund, warum Hartmut Brem nun schon 30 Jahre im Unter­nehmen tätig ist. 

Der mit dem langen Atem: Hartmut Brem verant­wortet seit über dreißig Jahren die Suche nach Rohstoff­vor­kommen, Geneh­mi­gungs­pro­zesse und den Rückbau der Flächen — eine Mammut­auf­gabe, die für jedes Projekt Jahre in Anspruch nimmt.

Er kennt sich wie kein anderer damit aus, Vorkommen aufzu­spüren, Verhand­lungen zu führen und Geneh­mi­gungen zu erkämpfen. Denn von der ersten Probe-Schür­fung bis zur endgül­tigen Geneh­mi­gung zum Abbau können schon einmal rund zehn Jahre vergehen. Unzäh­lige Behör­den­schritte, Gutachten, Verein­ba­rungen, Land­an­käufe und Logis­tik­pla­nungen gehen der Öffnung einer Grube voraus. Nicht selten muss man tempo­räre Zufahrts­wege zu den abge­le­genen Orten schaffen. Das alles erfor­dert einen sehr langen Atem.

Die Bahn kommt zur Hilfe

Doch vor all diesen Schritten steht eine Schnit­zel­jagd: die Suche nach passenden mögli­chen Ton- und Lehm­vor­kommen. Dabei stehen geolo­gi­sche und geogra­phi­sche Über­le­gungen im Raum, um geeig­nete Vorkommen aufzu­spüren. Nicht selten kommt Hartmut Brem dann die Eisen­bahn zur Hilfe. „Große Infra­struk­tur­pro­jekte wie derzeit der Neubau der ICE-Strecke Augs­burg-Ulm liefern uns eine Menge an Infor­ma­tionen. Denn für so ein Projekt finden umfang­reiche Probe­boh­rungen und Kartie­rungen statt. Das sind für uns wert­volle Infor­ma­tionen, wo es sich lohnt, nach unbe­kannten Vorkommen Ausschau zu halten. Über die geolo­gi­schen Karten versuche ich dann, gute Vorkommen zu finden“, berichtet Hartmut Brem. Über die Probe­boh­rungen großer Projekte hinaus können im zweiten Schritt auch Zeiger­pflanzen Aufschluss über den zu erwar­tenden Unter­grund geben. Denn viele Pflanzen wachsen nur auf ganz bestimmten Böden.

Erste Probeschürfe anlegen

Hat der Experte eine inter­es­sante Stelle ausge­macht, tragen Bagger erste Schürfe von vier bis fünf Metern Tiefe ab. Dabei legt man mehrere einzelne Schürfe auf einer Fläche von ca. 10 km2 an. Erhärtet sich der Verdacht eines größeren Vorkom­mens, startet ein geolo­gi­sches Erkun­dungs­pro­gramm mit deut­lich tieferen Bohrungen (10 – 30 Meter), um den Boden genau zu untersuchen.

Es folgen geophy­si­ka­li­sche Unter­su­chungen: Verein­facht gesagt wird dabei Strom durch die Erde geschickt. Anhand des Wider­stands kann man dann auf die Boden­be­schaf­fen­heit schließen. Entschei­dend für den Erfolg ist auch die Größe des Rohstoff­vor­kom­mens. Es sollte mindes­tens eine Millionen Tonnen Ton umfassen, damit sich die Grube rechnet. Das entspricht einem Volumen von rund 500.000 m3. Das ist mehr als das Doppelte des Volu­mens des legen­dären Zeppe­lins „Hinden­burg“, das größte Luft­schiff aller Zeiten mit 212.000 m3.

Sind die Ergeb­nisse viel­ver­spre­chend, geht der Geneh­mi­gungs­ma­ra­thon weiter. Es gilt, tempo­räre Straßen zu bewil­ligen, sich mit den Belangen der Anwohner zu befassen und Lösungen zu finden, die für alle Betei­ligten verträg­lich sind. Irgend­wann geht es endlich los: Der erste Ton wird abge­baut und zum Werk trans­por­tiert. Und dann? Nach mehreren Jahren ist die Tongrube ausge­schöpft, das Vorkommen neigt sich dem Ende zu.

Renaturierung oder Rekultivierung der Tongrube

Und schon geht es in den nächsten Dschungel: An dem Tag, an dem die Bagger endgültig abrü­cken, beginnt für die Tongrube ein drittes Leben. Jetzt folgen Rena­tu­rie­rung oder Rekul­ti­vie­rung. Was mit dem Gelände geschieht, schreibt das Natur­schutz­ge­setz genau vor. Eine Umwelt­ver­träg­lich­keits­prü­fung (UVP) listet detail­liert auf, wie groß der Eingriff in die Natur war. Dies wird mit einem Punkt­ver­fahren bewertet. Die Kompen­sa­ti­ons­maß­nahmen werden eben­falls nach Punkten bewertet und müssen den doppelten Wert errei­chen. Ist also ein Eingriff in Höhe von 100.000 Punkten erfolgt, müssen Kompen­sa­ti­ons­maß­nahmen für 200.000 Punkte ausge­führt werden. Die verschie­denen Vari­anten der Wieder­her­stel­lung werden dabei quali­tativ bewertet: Die meisten Punkte erreicht man mit der Wieder­her­stel­lung eines Moores, da dies beson­ders wert­volle Flächen sind.

„Einem Geneh­mi­gungs­pro­zess müssen bis zu 20 Behörden zustimmen – und die Öffentlichkeit.“

Natür­lich lässt sich nicht überall ein Moor herstellen, denn die örtli­chen Gege­ben­heiten entscheiden darüber, welche Trans­for­ma­tion die Fläche erhält. An manchen Stellen ergibt es Sinn, die Gruben natür­lich zu fluten. Wo hoch­ste­hendes Grund­wasser während des Abbaus abge­senkt werden musste, kann dieser Prozess wieder umge­kehrt werden und so eine kleine Seen­land­schaft entstehen. Das Augen­merk muss in diesen Fällen auf der fach­ge­rechten Herstel­lung der Ufer­be­reiche und der Böschungen liegen. Andern­falls kommen die Rand­be­reiche unter Umständen ins Rutschen. Eine Wieder­an­sied­lung der Fauna hingegen geschieht oft von ganz allein. Die Tiere erobern sich die Flächen im Laufe der Zeit zurück. Manchmal entsteht durch den Eingriff in die Natur auch ein neuer Lebens­raum: Der seltene Bienen­fresser baut seine Brut­höhlen gern in die steilen Abbruch­kanten der Tongrube. 

Aufwendige Wiederherstellung von Ackerflächen

Anders sieht es bei der Wieder­her­stel­lung von Acker­flä­chen aus. Denn was einfach nur wie „Erde“ aussieht, ist in Wahr­heit ein komplexes Ökoystem mit einem beson­deren Boden­aufbau und einer ganz spezi­ellen Zusam­men­set­zung der Schichten. So dauert es manchmal mehrere Jahre, bis ein Acker wirk­lich wieder als solcher zu verwenden ist. Der Humus, die oberste Boden­schicht, wurde vor Beginn des Tonab­baus abge­schoben und aufge­haldet. Dabei gehen jedoch wich­tige Bakte­ri­en­kul­turen verloren, die für die Frucht­bar­keit des Ackers und somit für die Erträge von Bedeu­tung sind. Daher beinhaltet eine boden­phy­si­ka­li­sche Rege­ne­ra­tion auch den Wieder­aufbau dieser Bakte­ri­en­kul­turen, der zum Beispiel durch den Anbau von verschie­denen Klee­pflanzen positiv beein­flusst wird.

„Die Rekul­ti­vie­rung und Rena­tu­rie­rung der ehema­ligen Gruben kann sehr unter­schied­lich verlaufen. Wir haben schon Flächen zu Wein­bergen und ganzen Seen­land­schaften umgebaut.“

Doch zunächst bringt man den Humus wieder auf den Flächen aus. Dann folgt eine mehr­jäh­rige Aufbau­phase des Bodens, in der verschie­dene Pflanzen ange­baut werden, die jeweils ihren Teil zur Boden­ver­bes­se­rung beitragen, bis die Acker­flä­chen später wieder verkauft werden können. „Die Rekul­ti­vie­rung und Rena­tu­rie­rung der ehema­ligen Gruben kann aber sehr unter­schied­lich verlaufen. Wir haben auch schon Flächen zu Wein­bergen und ganzen Seen­land­schaften umge­baut“, berichtet Hartmut Brem.

Unter den Baum­wip­feln verbirgt sich Lebens­raum für viele Tiere.

Auch in der ehema­ligen Tongrube Butten­wiesen ist es gelungen, die Fläche aufzu­werten. Hier konnte man den Biodi­ver­si­täts­faktor stei­gern, sodass die Fläche aus natur­fach­li­cher Sicht nun mehr als drei Mal so wert­voll ist wie vorher. Hier mussten die Planer auch zu „piek­sigen“ Mitteln greifen, um die Natur vor dem Menschen zu schützen. Ein Brom­beer­hecke schützt die wech­sel­feuchte Fläche, die der Öffent­lich­keit nicht zugäng­lich ist.