Wie sind Sie persönlich auf das Thema Gemeinwohl-Ökonomie gestoßen?
Ich habe viele Jahre in großen Unternehmen gearbeitet und dort immer wieder festgestellt, dass im daily business die gesellschaftlichen Werte und auch meine eigenen immer wieder auf der Strecke bleiben. In meiner Selbständigkeit und vor allem in der Beratung zum Thema Gemeinwohl-Ökonomie kann ich meinen eigenen Werten treu bleiben. Ich berate nun kleinere Unternehmen und engagiere mich auch ehrenamtlich in der Gemeinwohl-Ökonomie Bewegung für eine nachhaltigere Wirtschaft.
Frau Dietrich, wer kommt zu Ihnen, weil er Beratung sucht, um für sein Unternehmen eine „Gemeinwohlbilanz“ zu erstellen?
Zu uns kommen vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, die sich mit dem eigenen wirtschaftlichen Handeln und den Konsequenzen für Gesellschaft und Umwelt auseinandersetzen wollen und dafür nach einer guten Struktur suchen. Die Gemeinwohl-Bilanz ist ein strukturierter Prozess sich in einer internen 360 Grad Analyse weiter auf den Weg zu ökologisch und ethisch nachhaltigerem Wirtschaften zu machen.
Viele Unternehmen erleben gerade die klare Werte-Orientierung – also die Ausrichtung des unternehmerischen Handelns an Werten wie z.B. Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit – als hilfreiche Richtschnur.
„Viele Unternehmen erleben die klare Werte-Orientierung – also die Ausrichtung des unternehmerischen Handelns an Werten wie Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit – als hilfreiche Richtschnur.“
Wie groß ist das Interesse der Unternehmen, eine Gemeinwohlbilanz zu erstellen? Reicht es aus, um eine „Bewegung“ zu erkennen?
Die Gemeinwohl-Ökonomie Bewegung ist in der DACH-Region und in anderen europäischen Staaten am stärksten vertreten. Gerade haben wir jedoch auch den ersten südamerikanischen Verband gegründet. Die Nachfrage von Unternehmen steigt kontinuierlich. Natürlich ist uns bewusst, dass wir neben kleinen und mittelständischen vor allem auch noch mehr größere Unternehmen erreichen müssen, um ernsthaft etwas zu verändern. In diesem Bereich wird sich durch die Berichtspflicht der neuen CSRD-Richtlinie einiges bewegen. Jede einzelne Bilanzierung sorgt auch dafür, dass das Thema in die Köpfe getragen wird – auch die Mitarbeitenden nehmen es mit nach Hause und berichten in ihrem Umfeld darüber. Das ist ein nicht zu unterschätzender Multiplikationsfaktor. Hinzu kommt, dass die bilanzierten Unternehmen eine Strahlkraft nach außen haben. Sie haben zum Beispiel seltener Probleme, Personal zu finden.
Welchen Vorteil ziehen die Unternehmen daraus, eine Gemeinwohlbilanz zu erstellen?
Die Gemeinwohl-Bilanzierung ist ein hervorragender Organisationsentwicklungsprozess und wirkt so sehr stark auch nach innen. Mitarbeitende verschiedener Abteilungen arbeiten gemeinsam an der Weiterentwicklung zu mehr Nachhaltigkeit, dadurch entsteht Transparenz und eine größere Identifikation mit dem Unternehmen. Aber es geht auch um die Außenwirkung der Gemeinwohl-Bilanz auf potentielle Mitarbeitende, Kund*innen und Lieferant*innen.
„Mitarbeitende verschiedener Abteilungen arbeiten gemeinsam an der Weiterentwicklung zu mehr Nachhaltigkeit, dadurch entsteht Transparenz und eine größere Identifikation mit dem Unternehmen.“
Wie ist das Feedback?
Wir bekommen durchgängig positives Feedback. Die Unternehmen melden schon zurück, dass es sehr viel Arbeit ist, die sie zunächst unterschätzt haben. Die Erkenntnisse und Handlungsmöglichkeiten, die sich daraus ableiten, erleben alle jedoch als sehr wertvoll. Schließlich ist die Rebilanzierung, die alle zwei Jahre stattfinden sollte, dann auch erheblich weniger Aufwand, da man nur schauen muss, wo sich etwas verändert hat. Das ist auch ein ganz gutes Monitoring für die eigene Entwicklung.
Neue Werte für die Wirtschaft
Weitere Informationen zum International Federation for the Economy for the Common Good e.V. finden Sie auf der Website des Vereins.