Herr Voges, wie war es, als Sie Ihren ersten Mitarbeiter eingestellt haben? War das ein großer Schritt?
Meine Situation war da etwas speziell, sodass es kein ganz so großer Schritt war. Ich habe zunächst allein angefangen und dann nach recht kurzer Zeit meinen Bruder als Helfer angestellt. Der Job blieb sozusagen in der Familie. Die Konstellation war aber sehr günstig: Mein Bruder wurde später auch mein erster Azubi und ist heute Architekt.
Und wie ging es weiter?
Bis ungefähr 2011 war es überhaupt kein Problem, Personal zu finden. Es haben sich unheimlich viele Bewerber aus anderen Betrieben bei mir gemeldet. Damals haben wir die ganze Region hier ziemlich auf den Kopf gestellt.
Warum wollten viele Menschen bei Ihnen arbeiten?
Das ist ganz einfach: Die Leute wollen immer dorthin, wo was vorwärts geht. Stillstand mag niemand. Ein Beispiel: Im Jahr 2009 hatte ich drei Mitarbeiter, aber schon mal einen Kran gekauft. So etwas fällt auf, denn das gab es so in dieser Gegend nicht, brachte aber sehr viele Vorteile im Arbeitsalltag. Mit gutem und ungewöhnlichem Equipment konnte man Mitarbeiter gewinnen.
„Die Leute wollen immer dorthin, wo was vorwärts geht. Stillstand mag niemand.“
Wie waren Sie damals organisiert?
Schlecht, beziehungsweise der Zeit entsprechend. Wir waren ziemlich hierarchisch aufgestellt. Das hat eine Zeitlang auch gut funktioniert, aber wir hatten dahinter kein System. Und das bedeutete für mich, dass ich immer weiter in ein Hamsterrad gelangte und immer mehr Aufgaben selbst übernahm. Irgendwann verselbständigten sich die Strukturen bis nichts mehr funktionierte. Wir wurden beklaut, in den Teams herrschte schlechte Stimmung und die Probleme nahmen zu.
Und dann?
Dann half nur ein klarer Schnitt. Wir haben fast alle Mitarbeiter entlassen und ein anderer Teil hat gekündigt, dann habe ich mit zwei Azubis und dem Büroteam neu angefangen. Und was die Mitarbeiterführung anging, musste ich mich komplett neu aufstellen und viel lernen. Man braucht meiner Erfahrung nach in so einer verfahrenen Situation einen radikalen Schnitt, um den Teamaufbau aktiv gestalten zu können. Das soll aber keine Empfehlung zum Nachmachen sein! Das waren harte Zeiten.
„Wir haben kein Fachkräfteproblem, wir haben ein Führungsproblem“
Was machen Sie heute anders?
Es ist eine Frage der Teamzusammensetzung, denn die Leistungsfähigkeit eines Teams hängt maßgeblich davon ab, wer mit wem arbeitet. Meine Meinung zur aktuellen Situation in vielen Betrieben ist, dass wir kein Fachkräfteproblem, sondern einen Führungsproblem haben. Deshalb achte ich sehr genau darauf, wen ich in einem Team zur Führungskraft mache. Es wäre einfach, den guten und schnellen Gesellen zur Führung zu bestimmen. Doch man läuft Gefahr, dass er dann 100% gibt und der Rest des Teams nur so viel wie nötig. Das erzeugt Frust und Stress im Team. Viel sinnvoller, auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht, ist es, denjenigen zur Führungskraft zu machen, der den Rest des Teams zu möglichst guter Leistung motiviert. Denn dann ist die Gesamtleistung wesentlich höher.
Umgekehrt ausgedrückt heißt dies: Wenn, die Führungskraft, also der teuerste Mitarbeiter, das Team so führt, dass die Mitarbeiter unmotiviert sind und somit nur rund 30% ihrer Leistungsfähigkeit abrufen, dann richtet der teuerste einen immensen Schaden im Unternehmen an.
„Man muss denjenigen zur Führungskraft machen, der den Rest des Teams zu möglichst guter Leistung motiviert.“
Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter?
Haben Sie Änderungen abseits der Teamzusammensetzung vorgenommen?
Ja, wir achten mehr denn je auf eine gute Gemeinschaft. Es gibt nach wie vor eine einheitliche Arbeitskleidung und wir tun viel, damit unsere Mitarbeiter gute Arbeitsbedingungen haben. Außerdem gestalten wir möglichst optimale Arbeitsprozesse und setzen auf eine klare Aufgabenteilung. Wer weiß, was er zu tun hat, ist zufriedener.
„Wir gestalten möglichst optimale Arbeitsprozesse und setzen auf eine klare Aufgabenteilung. Wer weiß, was er zu tun hat, ist zufriedener.“
Wie kommen Sie an neue Mitarbeiter?
Und wie verändert sich der Umgang mit neuen, jungen Mitarbeitern?
Das ist eine besondere Situation, denn im Umgang gibt es ein Generationenproblem. Die heutigen Führungskräfte sind oft noch aus der Generation X, aber nun drängen die Millennials in den Arbeitsmarkt. Sie haben eine völlig andere Einstellung zur Arbeit, ihnen geht es nicht nur um Geld, sondern um Sinn und sie kennen keine Hierarchien. Und dann haben wir ein Sender-Empfänger-Problem. Die beiden Generationen verstehen sich einfach nicht, weil sie völlig unterschiedliche Wertesysteme vertreten. Das bedeutet für mich als Unternehmer: Ich muss dafür sorgen, dass beiden Generationen eine gemeinsame Sprache finden und sich für die Lebenswelten des jeweils anderen interessieren.
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