Zukunft Dachdecker: Mit VR-Brille aufs Dach

Andreas Unger betreut die Initiative „Zukunft Dachdecker“. Mit vielen bunt gemischten Aktionen wollen die Akteure Jugendliche für das Dachdeckerhandwerk begeistern.


Herr Unger, Sie betreuen die Initiative Zukunft Dachdecker. Was genau verbirgt sich dahinter?
Andreas Unger im Interview über die Initiative "Zukunft Dachdecker"

Andreas Unger ist Geschäfts­führer des Landes­ver­bands der Dach­de­cker Rheinland-Pfalz.

Zukunft Dach­de­cker ist eine Jugend­or­ga­ni­sa­tion, die sich 2014 in Rhein­land-Pfalz gegründet hat. Ihr Ziel ist die Nach­wuchs­för­de­rung und das Wecken von Inter­esse für den Beruf bei jungen Menschen. Dazu gehen die Mitglieder in die Schulen, auf Berufs­in­for­ma­ti­ons­messen und nutzen auch neue Wege, wie Videos und soziale Netz­werke, um auf den Beruf des Dach­de­ckers aufmerksam zu machen.

Wer genau sind denn die Akteure, die nach draußen auftreten?

Das sind mitt­ler­weile rund 30 junge Dach­de­cke­rinnen und Dach­de­cker. Begonnen haben wir mit einem rund 10-köpfigen Team und sind dann stark gewachsen. Das sind alles Leute vom Fach, die den Beruf glaub­würdig rüber­bringen. Weil sie so authen­tisch sind, funk­tio­niert es ziem­lich gut. Und da sie der glei­chen Gene­ra­tion wie unsere Ziel­gruppe ange­hören, können sie die jungen Leute optimal ansprechen.

Wir sind auf den Ausbil­dungs­messen unter­wegs und gehen in die Schulen.

Was wollen Sie mit der Kampagne erreichen?

Wir möchten einen Image­wandel des Berufs errei­chen. Das geht nur über Infor­ma­tionen und Aufklä­rung. Viele Eltern, die bei jungen Menschen doch enormen Einfluss auf die Berufs­wahl haben, wollen nicht, dass ihre Kinder ins Hand­werk gehen und sich vermeint­lich die Hände schmutzig machen. Sie halten den Dach­de­cker­beruf auch für zu gefähr­lich. An dieser Stelle gilt es aufzu­klären und zu zeigen, dass die vielen Schutz­maß­nahmen Arbeits­un­fällen effektiv vorbeugen. Auch die Hilfe der neuen Tech­niken, wie zum Beispiel das Aufmaß mit der Drohne, erleich­tern den Arbeits­alltag. Diese Dinge muss man nicht nur zu den Jugend­li­chen, sondern auch zu den Eltern trans­por­tieren. Natür­lich wollen wir mit der Kampagne auch einen Beitrag leisten, um dem Fach­kräf­te­mangel entge­gen­zu­wirken, der viele Betriebe vor große Heraus­for­de­rungen stellt.

Wie erreichen Sie die Jugendlichen denn?

Schnell aufs Dach, aber die Füße auf dem Boden — eine VR-Brille machts möglich.

Wir sind auf den Ausbil­dungs­messen unter­wegs und gehen in die Schulen. Wir schauen aber auch, dass wir dort nicht nur normale Ange­bote haben, sondern die Jugend­li­chen mit einer unge­wöhn­li­chen Erfah­rung begeis­tern können. Dafür haben wir eigens mehrere VR-Brille ange­schafft, mit denen man am Stand „live“ auf das Dach steigen kann und so einen sehr realen Eindruck von der Arbeit bekommt. Solch außer­ge­wöhn­liche Erfah­rungen merken sich die Jugend­li­chen und wir gehen davon aus, dass sie dann davon auch in ihrem Umfeld berichten.

Jugend­liche für den Beruf des Dach­de­ckers zu gewinnen, ist nur eine Seite der Medaille.

Sehen Sie nach fünf Jahren Erfolge?

Die Ausbil­dungs­zahlen zeigen, dass sich der Einsatz lohnt. Im Jahr 2019 hatten wir im ersten Ausbil­dungs­jahr im Vergleich zu 2018 einen Zuwachs von 25% bei den neuen Auszu­bil­denden. Das ist schon eine tolle Bilanz, der aber auch ein sehr aktives Jahr mit rund 15 Messe­ein­sätzen und vielen Schul­be­su­chen voran­ge­gangen war. Im Jahr 2020 konnten wir mit einem weiteren kleinen Zuwachs von 0,6% auf den guten Zahlen weiter aufbauen.

Können Sie die vielen jungen motivierten Auszubildenden auch halten?

Jugend­liche für den Beruf des Dach­de­ckers zu gewinnen, ist nur eine Seite der Medaille. Daneben gilt es mit glei­chem Enga­ge­ment die Auszu­bil­denden auch im Dach­de­cker­hand­werk – und hier zunächst in der Ausbil­dung- zu halten. Eine prak­ti­sche Hilfe sind hierbei die seitens der Berufs­or­ga­ni­sa­tion den Ausbil­dungs­be­trieben kosten­frei zur Verfü­gung stehenden „Empfeh­lungen zur Durch­füh­rung einer betrieb­li­chen Ausbil­dung im Dach­de­cker­hand­werk“, auch kurz „Ausbil­dungs­knigge“ genannt. So wie früher, als der Ton auf der Baustelle durchaus auch mal rauer war, ist es heute nicht mehr. Im Umgang mit den Mitar­bei­tern, aber auch der Mitar­beiter unter­ein­ander, hat sich viel getan.

Reger Betrieb am Messe­stand von „Zukunft Dachdecker”.

Haben die Jugendlichen realistische Vorstellungen von dem Beruf des Dachdeckers?

Interessieren sich langsam auch mehr Mädchen für den Beruf?

Das Dach­de­cker­hand­werk ist nach wie vor noch eine Männer­do­mäne, aber langsam bricht das auf. Wurden in 2019 noch 116 junge Frauen zur Dach­de­ckerin ausge­bildet, so sind es nunmehr 147, was einer Zunahme von 26,7 % entspricht, aller­dings nur einem Gesamt­an­teil von 2,03 %. Bei Zukunft Dach­de­cker enga­gieren sich auch einige Frauen. Das hat viel­leicht etwas Zugkraft und macht Mädchen Mut, sich für diesen Beruf zu begeistern.

Nicht zuletzt ist auch die Entloh­nung attraktiv.

Wie gehen Sie mit den nicht so komfortablen Seiten des Berufs um?

Dach­de­cker ist ein körper­lich fordernder Beruf, das ist klar. Dennoch kann man die vielen tech­ni­schen Fort­schritte unter­strei­chen, die den Arbeits­alltag erleich­tern. Gleich­zeitig bietet der Beruf aber die Möglich­keit, sich viel­seitig weiter­zu­ent­wi­ckeln. Nach der Ausbil­dung kann man den Meister machen, der auch zur Aufnahme eines Studiums berech­tigt. Auch der Weg in die Selb­stän­dig­keit steht den jungen Leuten offen oder eine Weiter­bil­dung als Tech­niker. Und nicht zuletzt ist auch die Entloh­nung attraktiv. Da lassen sich inner­halb weniger Jahre große Sprünge machen und das Gehalt liegt dann durchaus deut­lich über dem vieler Büro­jobs. Zusam­men­ge­fasst lässt sich sagen, dass man ehrlich sein muss, was die Bedin­gungen der Arbeit angeht, aber auch die Optionen offen darlegen. Dann findet sich auch moti­vierter Nachwuchs.