Sie haben Ihr Unternehmen nach der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) bilanziert. Warum haben Sie das gemacht?
Für uns war das eine logische Konsequenz aus der Beschäftigung mit den 17 Zielen der SDGs (Sustainable Development Goals). Wir haben uns davon einen anderen Blickwinkel versprochen, der über die normale Steuerbilanz hinausschaut. Schließlich betrachtet man verschiedene Berührungsgruppen eines Unternehmens: Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten, Eigentürmer, Finanzpartner und die Gesellschaft.
Und was haben Sie entdeckt?
Die Beschäftigung mit den Lieferanten war besonders interessant. Ich hätte erwartet, dass die großen Unternehmen das alles in der Schublade haben, doch sie konnten zum Teil nur sehr unbefriedigende Informationen liefern. Wir werden aus den Erkenntnissen Handlungen ableiten. Jedes Unternehmen muss dann für sich selbst festlegen, was für ihn wichtig ist. Für uns sind die Lieferanten wichtig, weil wir ein reiner Verarbeiter sind und alles zukaufen müssen. Daher steht das für uns im Fokus.
Dachdeckermeisterin Jutta Spindler im Interview
„Die Beschäftigung mit den Lieferanten war besonders interessant. Ich hätte erwartet, dass die großen Unternehmen das alles in der Schublade haben, doch sie konnten zum Teil nur sehr unbefriedigende Informationen liefern.“
Was haben Sie denn bei den Unternehmen abgefragt?
Wir haben mit Unterstützung der Gemeinwohl-Ökonomie einen für uns passenden dreiseitigen Fragebogen entwickelt. Er fragt zum Beispiel ab, wie die Unternehmen sich allgemein aufstellen hinsichtlich der Mitarbeiter, Arbeitszeitmodellen, Entlohnung, Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Das ist alles nichts, was schwierig wäre.
Wie lange haben Sie sich bereits mit der Bilanzierung beschäftigt und wer bewertet diese Bilanz?
Wir haben im Dezember 2022 begonnen und waren im Juli 2023 fertig. Bilanziert wird über unsere Peer Group mit mehreren Unternehmen, geleitet von einem zertifizierten Berater. Wir bewerten uns in einem Auditprozess gegenseitig nach einem Punktesystem. Bei größeren Unternehmen funktioniert das anders und läuft über ein externes Audit-Verfahren.
Das ist alles sehr viel Arbeit. Warum machen Sie das? Was bringt das dem Unternehmen?
Wir machen das aus unserer inneren Überzeugung. Wir wollen uns dem Thema Nachhaltigkeit stellen. Das umfasst nicht nur den Klimaschutz, sondern geht viel weiter. wir schauen alles im Unternehmen an. Das bringt viel Arbeit, aber auch Erkenntnisse mit sich: Wir sehen wo wir als Firma noch Stellschrauben drehen können, um nachhaltiger zu agieren. Das bedeutet auch schon einmal, dass ein Auto aus dem Fuhrpark weichen muss oder Lieferanten nicht mehr beauftragt werden.
„Wir machen das aus unserer inneren Überzeugung. Wir wollen uns dem Thema Nachhaltigkeit stellen.“
Betrachtet man in dem Prozess auch die „personellen Ressourcen“?
Ja, auch das ist Teil der Bilanz. Nachhaltigkeit bedeutet auch, dass es den Mitarbeitenden gut geht, sie in einem gesunden Umfeld arbeiten und wir ihre Arbeitskraft schon aus ökonomischen Gründen erhalten wollen. Darum haben wir in diesem Jahr erstmal einen Gesundheitstag veranstaltet. Der kam so positiv an, dass wir ihn auch in Zukunft beibehalten wollen. An diesem Tag gab es allerlei positive Impulse für uns. Eine Kleinigkeit in diese Richtung ist zum Beispiel, dass wir nun statt Süßigkeiten einen großen Spender mit Studentenfutter im Büro haben.
„Durch eine Befragung unseres Teams kam auch heraus, dass mehr Gesprächsmöglichkeiten gewünscht werden.“
Durch eine Befragung unseres Teams kam auch heraus, dass mehr Gesprächsmöglichkeiten gewünscht werden. Das werden wir natürlich auch umsetzen. Wir dachten eigentlich, dass wir schon ziemlich viel reden, aber das ist offensichtlich nicht ausreichend. Nun legt mein Mann abends, wenn die Mitarbeitenden zurück in den Betrieb kommen, bewusst seine Arbeit weg und ist in dieser Zeit nur für sie da.
Haben Sie ganz allein den Zertifizierungsprozess gemacht oder ist das eine Aufgabe für viele?
Die Hauptarbeit habe ich übernommen, aber einiges, wie die Erstellung des Lieferantenfragebogens und die Befragung des Teams, zusammen mit meiner Kollegin vorangetrieben. Es gibt unterstützend dazu auch eine Software. Natürlich müssen wir aber als Geschäftsführung gemeinsam dahinterstehen, ansonsten geht es nicht.
Sie haben den Bilanzierungsprozess nun einmal durchlaufen War es das?
Nein. Nach zwei Jahren fängt man wieder an, doch dann ist es einfacher, denn man kann die Ergebnisse der vorherigen Bilanz als Basis nutzen. Wir haben ja jetzt einen Ist-Zustand festgestellt und daraus resultierend Verbesserungspotenziale festgelegt. In zwei Jahren ist leicht festzustellen, ob man Verbesserungen erreicht hat oder nicht.
Haben Sie jemals bereut, dieses Projekt gestartet zu haben?
Ganz am Anfang schon ein bisschen – ich hatte die Arbeit echt unterschätzt. Wir mussten erst einmal überlegen, was wir denn im Einzelnen in dem Prozess betrachten. Die erste Berührungsgruppe waren die Lieferanten, da war die Auswertung sehr umfangreich. Wir haben als rein verarbeitendes Gewerk naturgemäß sehr viele Lieferanten. Wir haben dann entschieden, die Posten nach Volumen und Relevanz zu sortieren. Die anderen in der Peer-Gruppe, wie Architekten oder Berater, waren ruckzuck durch. Bei uns haben diese Erhebungen viel Zeit in Anspruch genommen, denn wir mussten bei vielen Unternehmen hinterher telefonieren, damit sie unseren Fragebogen ausfüllen.
Was ist Ihnen persönlich an diesem Prozess besonders wichtig?
Mir ist wichtig, die ganze Diskussion um Nachhaltigkeit positiver zu gestalten. Welche positiven Entwicklungen hält das für uns alle bereit? Es geht schließlich um unsere Zukunft, das ist wichtig. So einen Weg zu beschreiten, kann auch Spaß machen. In der Öffentlichkeit wird momentan alles nur schlecht geredet, aber vieles ist spannend, und man kann an so vielen Stellschrauben drehen, damit man was verändert. Das sollte mehr ins öffentliche Bewusstsein gelangen. Für uns als Unternehmen haben wir mit der Bilanz der Gemeinwohl-Ökonomie einen Nachhaltigkeitsbericht in der Hand, aus dem wir zukunftsfähige Handlungen ableiten können.