Den Weg in die Nutzung von KI startete Matthias Brack lange bevor jemals jemand etwas von Chat GPT, MS Copilot oder anderen KI-Assistenten gehört hatte. „Ich habe den Betrieb vor über 20 Jahren übernommen. Schon damals wollte ich eher an als im Unternehmen arbeiten. Also habe ich angefangen, das Unternehmen größer zu skalieren und Prozesse definiert, die uns in die digitale Welt brachten“, berichtet Matthias Brack, der mit seinem Unternehmen „Brack Wintergarten“ einen Handwerksbetrieb mit über zwanzig Mitarbeitenden im Allgäu betreibt.
Erfolgreich mit KI: die Kundenampel
Ein wahres Erfolgsmodell ist seine eigens entwickelte KI: die Kundenampel. „Das Interesse an der Kundenampel überrascht mich selbst. Das Thema wird momentan in den einschlägigen Kreisen ein bisschen herumgereicht, weil es eines der wenigen Beispiel im Handwerk ist. Da ist es für viele Handwerks-Unternehmen, die sich mit Digitalisierung und KI beschäftigen, natürlich interessant“, erklärt Matthias Brack.
„Das Ampelsystem verdeutlicht bildhaft, mit welcher Priorität wir den Kundenanfragen hinterhergehen.“
Erfolgreich ist aber auch die Ampel selbst für sein Unternehmen, denn sie sagt ihm, wie hoch die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Auftrags nach der Anbahnungsphase ist. „Wir fragen umfangreiche Informationen bereits beim Erstkontakt in einem Online-Formular oder häufiger per Telefon ab. Das passiert nach einer Checkliste während eines netten Gesprächs. Aufgrund unserer jahrelang gesammelten Daten liegt die Trefferquote dieser Vorhersagen bei 67%“, zeigt der Unternehmer auf, „dabei verdeutlicht das Ampelsystem bildhaft, mit welcher Priorität wir den Kundenanfragen hinterhergehen. Kunden, die im grünen Bereich sind, gehen wir mit hoher Intensität nach.
Bei Kunden im gelben Bereich fassen wir noch einmal nach und bitten um zusätzliche Informationen. Dann rutschen sie häufig auch in die grüne Kategorie. Durch zusätzliche Anpassung unseres Customer Journeys, in diesem konkreten Fall also der Phase der Geschäftsanbahnung, konnten wir unsere Trefferquote von 35 auf 65% erhöhen.“
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Erfolgsgeheimnis Datenbasis
Einfach über Nacht aus dem Nichts hat Matthias Brack seine KI natürlich nicht entwickelt. Da er schon lange seine Daten in einer umfassenden Datenbank systematisch erfasst, hatte er eine „Goldgrube“ aus der er seine KI „füttern“ konnte. Doch warum setzt er so stark auf die Unterstützung der künstlichen Intelligenz?
„Ich sage immer: Ich bin zu faul, um nicht zu digitalisieren.“
„Nichts regt mich mehr auf, als Daten händisch zu übertragen – das klassische Steuerung C – Steuerung V. Denn das bedeutet nichts anderes als einen Bruch durch die Prozesskette, den man besser lösen könnte. Ich sage immer: Ich bin zu faul, um nicht zu digitalisieren. Ich habe keinen Bock, diese stupiden Dinge immer wieder zu tun, wenn man sie doch automatisieren kann“, gibt er unumwunden zu. „Genau darin liegt doch auch die große Chance für das Handwerk: Der Dachdecker hat doch seinen Beruf einmal gelernt, weil er Lust hat, Dächer zu decken und nicht, um stundelang Daten in einen Computer zu hämmern. So hat er wieder mehr Zeit für seine eigentliche Aufgabe.“
Sehen Sie eine Gefahr, das kleineren Unternehmen die Kosten für die vielen unterschiedlichen KI-Dienste weglaufen?
Eigene KI-Anwendung erstellen spart Zeit
Ein Klassiker im Hause Brack sind selbst zusammengestellte GPTs. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als eine Anwendung, die man zum Beispiel im Profi-Account von ChatGPT auch ohne große Vorkenntnisse einrichten kann. „Ich habe zum Beispiel unsere ganzen Tarifverträge und Manteltarifverträge in ein eigenes hochgeladen. Wenn ich eine Personalfrage habe, lasse ich sie mir da in Echtzeit beantworten. Da rechnet sich ein Profi-Account für zwanzig Euro im Monat ziemlich schnell: Selbst bei einer einfachen Recherchearbeit für einen Tarifvertrag spare ich mir locker eine halbe Stunde mit einer Anfrage. Wenn ich dann meine Stunden als Meister mit 70,00€ veranschlage, hat sich die Investition mit einer Anfrage gerechnet. Oder ein anderes Beispiel: Ich habe sämtliche Förderrichtlinien hochgeladen und kann diese in Echtzeit durchsuchen, ob es etwas passendes für ein entsprechendes Bauvorhaben gibt. Für so etwas gehen sonst schnell mal Stunden drauf,“ führt Matthias Brack aus.
„Laden Sie einfach ein Foto eines Dachs hoch und lassen sich die Dachziegel zählen.“
Und dann nennt er noch ein praktisches Beispiel für den Dachdecker: „Laden Sie einfach ein Foto eines Dachs hoch und lassen sich die Dachziegel zählen. Das geht binnen Sekunden. Die Vielfalt der Möglichkeiten, sich die Arbeit einfacher zu machen, haben die meisten noch gar nicht erkannt.“
Können Sie ein Beispiel nennen, wo KI den Dachdecker konkret unterstützen könnte?
Kleine Test-Teams
So viel Tempo, so viel Digitalisierung – findet das Team das alles super? „Natürlich finden nicht immer alle alles gleich gut. Selbstverständlich gibt es auch berechtigte Skepsis“, berichtet der Unternehmer offen, „Wir testen Neuerungen immer in einem kleinen Team, das Lust darauf hat und sich freiwillig darauf einlässt. Wenn das System dann läuft und wirklich Arbeit erspart, sind meistens auch die anderen im Boot.“
Mit der zunehmenden Zeitersparnis stellen sich dem visionären Unternehmer jedoch neue Fragen: „Man muss ernsthaft über neue Arbeitszeitmodelle nachdenken. Ist das Stundenmodell noch das richtige oder sollte man vielmehr nach geleisteter Arbeit gehen? Was haben die Mitarbeitenden von der Zeitersparnis? Bekommen sie einfach immer mehr Aufgaben? Das wird auf Dauer zu Unzufriedenheit führen. Hier gilt es, neue Lösungsansätze zu finden. Auch ich habe darauf noch keine befriedigende Antwort gefunden.“
In der Breite angekommen sind diese Fragen und die Nutzung von KI jedoch noch nicht, wie Matthias Brack feststellt. Er hält mittlerweile viele Vorträge von anderen Handwerkern zum Thema und erlebt fast immer großes Interesse. Wohin die Reise in den KI-Anwendungen in den nächsten Jahren geht, dazu hat der Experte zumindest eine konkrete Vermutung: „Die Bereiche Arbeitsvorbereitung und Planung werden sich massiv verändern. Aus den Plänen werden automatisch Materialbedarfe ermittelt und Stücklisten zusammengestellt. Dadurch werden auch die Bestellprozesse komplett anders ablaufen. Da ist noch richtig Musik drin!“