„In Zukunft werden wir Kuratoren“

Christoph Krause vom "Mittelstand-Digital Zentrum Handwerk" hilft Unternehmen KI besser zu integrieren und sie „KI-Ready“ zu machen.


Herr Krause, wie macht man den Handwerksbetrieb „KI-Ready“?

Wir schauen zunächst einmal, welche internen Prozesse den Unter­nehmer am meisten nerven. Und da kommt meis­tens die Antwort: Ange­bots­an­fragen durch Kunden. Also: Der Kunde fragt an, egal über welchen Weg, das Unter­nehmen muss danach seine Dienst­leis­tungen und Preise zusam­men­su­chen und das Ganze raus­schi­cken. Hier kann KI eine ganze Menge helfen, indem man diesen Prozess teil­weise auto­ma­ti­siert. Das funk­tio­niert zum Beispiel indem zumin­dest ein Teil der Kunden über die Webseite schon einen Chatbot mit den Infor­ma­tionen füttert, die es für die Erstel­lung eines Ange­bots braucht. Und diese Infor­ma­tionen werden dann über ein KI-System zusam­men­ge­fasst. So wird ein Angebot teil­au­to­ma­ti­siert erstellt und versendet.

Dieses Verfahren ergibt aber nicht immer Sinn: Wenn ich eine spezia­li­sierte Hand­werks­firma betreibe, die sehr viel Wert auf persön­liche Bera­tung legt, würde ich mir das genau über­legen, da daran ja viel Betreuung und Erklä­rung hängt. Wenn ich jemand bin, der sehr viel stan­dar­di­sierte Hand­werks­dienst­leis­tung macht, dann eignet sich ein KI-System natür­lich perfekt.

Hand­werks­be­triebe KI-Ready zu machen ist eine riesige Aufgabe, der die Teil­neh­menden diverser Barcamps immer wieder nachgehen.

Gibt es weitere Anwendungsgebiete, die auf der Hand liegen?

Ein Riesen­thema ist die Doku­men­ta­tion. Hier haben wir verschie­dene KI Methoden erprobt. Man kann über ein KI-System zum Beispiel mit 360-Grad-Aufnahmen der Baustelle alles lückenlos doku­men­tieren. Möglich ist dies mit einer kleinen Kamera auf dem Helm. Gleich­zeitig werden Ort und Zeit mit proto­kol­liert, sodass ich hinterher eine lücken­lose Video­do­ku­men­ta­tion habe. Zusätz­liche Infor­ma­tionen aus Bildern oder PDFs werden direkt mit einer Ortmar­kie­rung in den Plan inte­griert. Lästiges Suchen entfällt so.

Lässt man KI einfach alles alleine machen? Oder gibt es noch den Menschen als letzte Instanz?

Hängt es wie vieles andere an den Prozessen im Unternehmen, um KI-Ready zu werden?

Ja, die Prozesse im Unter­nehmen sind die Basis für die Nutzung von KI. Am Anfang stehen die Fragen: Welchen Prozess will ich per KI auto­ma­ti­sieren? Wo sind die passenden Daten dazu? Diese Daten müssen struk­tu­riert werden, müssen bewertet werden, was ist ein guter Daten­satz, was ist ein schlechter Daten­satz. Und was ist vor allem ein Daten­satz, der danach einen Mehr­wert gene­riert. Dazu brauche ich stan­dar­di­sierte Daten, die natür­lich digital vorliegen, und ich muss sie danach mit diesem Tool auto­ma­ti­siert verknüpfen. Das ist aktuell noch die größte Hürde.

„Am Anfang stehen die Fragen: Welchen Prozess will ich per KI auto­ma­ti­sieren? Wo sind die passenden Daten dazu?“

Was machen Sie, wenn Sie von einem Unternehmen um Unterstützung gebeten werden?

Wir gehen in die Unter­nehmen rein, schauen uns deren Prozesse an, bewerten sie danach, wie viel Zeit KI hier einsparen könnte. Wenn wir das haben, gehen wir in die Bewer­tung der Daten und auf die Suche nach einem Dienst­leister. So bauen wir diese Projekte nach und nach um. Parallel versu­chen wir als Zentrum aber auch, das Tool dann nochmal so auszu­bauen und zu gene­ra­li­sieren, dass eine Viel­zahl von Betrieben diese Lösung auch nutzen kann. Meis­tens haben ja 80% der Hand­werker den glei­chen Anwen­dungs­fall und profi­tieren dann von der neuen Lösung.

Wie finde ich denn als Handwerker die passende schon vorhandene Lösung?

Das Angebot an KI-unter­stüt­zenden Dienst­leis­tungen explo­diert derzeit. Daher bauen wir aus unserer Samm­lung einen KI-basierten Chatbot. Dort können Hand­werker dann in einem Chat­fenster nach dem passenden Angebot suchen. Zum Beispiel mit folgenden Eingaben: „Ich bin Dach­de­cker. Ich habe 43 Mitar­beiter. Ich arbeite vorwie­gend im privaten Instand­setzen von Dach­kon­struk­tion, etc. Ich suche ein KI-Tool für die Ange­bots­er­stel­lung. Mach mir drei Vorschläge.“ Und dann antwortet dieser Chat mit Lösungen. Wenn es mal keine Lösung gibt, verweist er an uns, damit wir wissen: Da muss noch Gas gegeben werden in diesem Bereich. Diesen Chatbot kann bald jeder Hand­werker frei online nutzen. Kosten­frei und neutral.

Für das digi­tale Hand­werk gibt es bereits zahl­reiche Tools, um KI-Ready zu werden. Foto­graf: Stefan Veres

Inwieweit ist das Handwerk denn bereit die Hoheit über ihre Handlungen an so eine KI abzugeben?

Momentan spre­chen wir gar nicht von „Künst­li­cher Intel­li­genz“, sondern von „Hybrider Intel­li­genz“, also der Zusam­men­ar­beit zwischen Menschen und KI-Systemen. Die letzte Kontrolle und Frei­gabe erfolgen durch den Menschen. Das wird aufgrund der Arbeits­er­sparnis schon schnell akzeptiert.

„Momentan spre­chen wir gar nicht von „Künst­li­cher Intel­li­genz“, sondern von „Hybrider Intel­li­genz“, also der Zusam­men­ar­beit zwischen Menschen und KI-Systemen.“

In Deutschland immer wieder ein Thema ist der Datenschutz. Wie oft steht Ihnen der im Weg?

Ich finde diese Diskus­sion in Deutsch­land immer komisch. Einfach zu sagen, ja, warte mal, da gibt es ja jetzt ein AI-Akt und DSGVO da können wir nichts mehr machen – das ist Unsinn. Auch für Daten­schutz gibt es Wege und Lösungen. Und auf der anderen Seite sind die Richt­li­nien ja auch teil­weise gut, wenn man sich die Gefahren von KI mal anschaut. Ich finde es hoch­gradig richtig, diverse Bild­ge­bungs-KI und Video-KI nicht jedem zugäng­lich zu machen. Sie bekommen sonst ein riesiges Kommu­ni­ka­ti­ons­pro­blem, auf das die Gesell­schaft gar nicht vorbe­reitet ist.

Kann man momentan noch mit der technischen Entwicklung Schritt halten, wenn man nicht jeden Tag damit zu tun hat? Oder muss man das vielleicht gar nicht?

Dran­bleiben sollte man schon, aber nicht an dieser Komple­xität. Entweder ich moni­tore das mit auto­ma­ti­sierten Tools, die mir regel­mäßig einen Über­blick über die aktu­elle Situa­tion geben oder ich kenne Leute, die für mich dieses Kura­tieren über­nehmen. So verstehen wir unsere Rolle. Wir kura­tieren vor, so dass der Hand­werker nicht mehr auf 800 verschie­dene KI-Tools stößt, sondern nur noch auf die wirk­lich relevanten.

Kann ich als Handwerker bei der momentanen Entwicklung den Überblick bewahren?

Sie haben mehrere Demonstrationsstandorte. Was kann ich da denn angucken?

Also, wir haben ganz viele, ganz einfache KI-Gadgets. Zum Beispiel ein kleines Gerät, das 72 Spra­chen spricht und es ist simpel aufge­baut: Es geht nur an und aus. Das ist der totale Renner auf Baustellen, weil es viel schneller und einfa­cher zu bedienen ist als ein Smart­phone. Oder eine KI-Brille, die aber stan­dard­mäßig nur auf Englisch läuft. Da entwi­ckeln wir gerade eine Version auf Deutsch, damit sie für das Hand­werk nutzbar ist.

„Huma­noide Roboter werden einfache Tätig­keiten im Hand­werk übernehmen.“

Der Roboter auf der Baustelle ist nicht mehr nur Wunsch­denken. In den nächsten Jahren ist hier eine Revo­lu­tion zu erwarten. Foto­graf: Steffen Vollert

Wo sehen Sie denn das KI-Thema in fünf Jahren im Handwerksbereich?

In fünf Jahren werden wir uns von gene­ra­tiven KI entfernt haben. Wir werden noch in diesem Jahr den Wechsel auf die Robotik sehen. Es gibt im Hand­werk bereits einen Maler- und einen Dach­de­cker­ro­boter. Im nächsten Schritt wächst das zusammen mit künst­li­cher Intel­li­genz. Dadurch wird es einen Entwick­lungs­sprung in der Robotik geben. Auch im Bereich der huma­no­iden Roboter wird man im nächsten Jahr die ersten huma­no­iden Roboter auf einer Baustelle haben, der sich wie ein Mensch bewegen, aber noch lang­samer sein wird.

„Das Hand­werk bleibt da, aber zuträg­liche Tätig­keiten werden an Roboter abgegeben.“

Es gibt aber erste wissen­schaft­liche Studien und Berech­nungen, ab wann diese Systeme den Mindest­lohn knacken. 2027 könnte es schon so weit sein, und spätes­tens dann werden wir viele Anwen­dungen im huma­no­iden Roboter-Bereich auf deut­schen Baustellen sehen. Die werden einfache Tätig­keiten im Hand­werk über­nehmen. Dabei muss man keine Angst haben, dass dann kein Hand­werk mehr da ist. Das Hand­werk bleibt da, aber diese zuträg­li­chen Tätig­keiten werden an Roboter abge­geben, so wie wir das jetzt in einigen Berei­chen im Hand­werk schon sehen. Dazu gibt es im Moment sehr viel Forschung und es wird viel Geld inves­tiert in huma­noide Roboter-Systeme.

Letzte Frage, was passiert denn mit den Unternehmen, die sich dieser Entwicklung verweigern? Was glauben Sie, wo die in den nächsten Jahren stehen?

Also im Hand­werk haben sie noch am meisten die Chance zu über­leben, weil wir halt genug Hand­werks­be­darf haben. Aber wir steuern auf ein großes Problem der Alters­vor­sorge zu: Eines Tages muss man das Unter­nehmen in die nächsten Hände geben, weil man das selbst nicht mehr machen kann. Wenn ich die ganze Entwick­lung verschlafe, dann habe ich ein Produkt geschaffen, was weder zu verkaufen ist noch irgend­je­mand haben will. Wir haben aktuell 162.000 Hand­werks­be­triebe in Deutsch­land, die über­nommen werden wollen. Wer hier nicht in die Zukunft inves­tiert, verliert schlicht und ergrei­fend eine Menge Kapital.

Zur Person:

Chris­toph Krause arbeitet im Mittel­stand-Digital Zentrum Hand­werk, das seit diesem Jahr ausdrück­lich auch als neues Zentrum für künst­liche Intel­li­genz – kurz KI — firmiert. Ziel ist es, KI im Mittel­stand und Hand­werk besser zu inte­grieren und die Unter­nehmen „KI-Ready“ – also bereit für künst­liche Intel­li­genz – zu machen.

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