Herr Krause, wie macht man den Handwerksbetrieb „KI-Ready“?
Wir schauen zunächst einmal, welche internen Prozesse den Unternehmer am meisten nerven. Und da kommt meistens die Antwort: Angebotsanfragen durch Kunden. Also: Der Kunde fragt an, egal über welchen Weg, das Unternehmen muss danach seine Dienstleistungen und Preise zusammensuchen und das Ganze rausschicken. Hier kann KI eine ganze Menge helfen, indem man diesen Prozess teilweise automatisiert. Das funktioniert zum Beispiel indem zumindest ein Teil der Kunden über die Webseite schon einen Chatbot mit den Informationen füttert, die es für die Erstellung eines Angebots braucht. Und diese Informationen werden dann über ein KI-System zusammengefasst. So wird ein Angebot teilautomatisiert erstellt und versendet.
Dieses Verfahren ergibt aber nicht immer Sinn: Wenn ich eine spezialisierte Handwerksfirma betreibe, die sehr viel Wert auf persönliche Beratung legt, würde ich mir das genau überlegen, da daran ja viel Betreuung und Erklärung hängt. Wenn ich jemand bin, der sehr viel standardisierte Handwerksdienstleistung macht, dann eignet sich ein KI-System natürlich perfekt.
Gibt es weitere Anwendungsgebiete, die auf der Hand liegen?
Ein Riesenthema ist die Dokumentation. Hier haben wir verschiedene KI Methoden erprobt. Man kann über ein KI-System zum Beispiel mit 360-Grad-Aufnahmen der Baustelle alles lückenlos dokumentieren. Möglich ist dies mit einer kleinen Kamera auf dem Helm. Gleichzeitig werden Ort und Zeit mit protokolliert, sodass ich hinterher eine lückenlose Videodokumentation habe. Zusätzliche Informationen aus Bildern oder PDFs werden direkt mit einer Ortmarkierung in den Plan integriert. Lästiges Suchen entfällt so.
Lässt man KI einfach alles alleine machen? Oder gibt es noch den Menschen als letzte Instanz?
Hängt es wie vieles andere an den Prozessen im Unternehmen, um KI-Ready zu werden?
Ja, die Prozesse im Unternehmen sind die Basis für die Nutzung von KI. Am Anfang stehen die Fragen: Welchen Prozess will ich per KI automatisieren? Wo sind die passenden Daten dazu? Diese Daten müssen strukturiert werden, müssen bewertet werden, was ist ein guter Datensatz, was ist ein schlechter Datensatz. Und was ist vor allem ein Datensatz, der danach einen Mehrwert generiert. Dazu brauche ich standardisierte Daten, die natürlich digital vorliegen, und ich muss sie danach mit diesem Tool automatisiert verknüpfen. Das ist aktuell noch die größte Hürde.
„Am Anfang stehen die Fragen: Welchen Prozess will ich per KI automatisieren? Wo sind die passenden Daten dazu?“
Was machen Sie, wenn Sie von einem Unternehmen um Unterstützung gebeten werden?
Wir gehen in die Unternehmen rein, schauen uns deren Prozesse an, bewerten sie danach, wie viel Zeit KI hier einsparen könnte. Wenn wir das haben, gehen wir in die Bewertung der Daten und auf die Suche nach einem Dienstleister. So bauen wir diese Projekte nach und nach um. Parallel versuchen wir als Zentrum aber auch, das Tool dann nochmal so auszubauen und zu generalisieren, dass eine Vielzahl von Betrieben diese Lösung auch nutzen kann. Meistens haben ja 80% der Handwerker den gleichen Anwendungsfall und profitieren dann von der neuen Lösung.
Wer kommt zu Ihnen und fragt um Unterstützung?
Wie finde ich denn als Handwerker die passende schon vorhandene Lösung?
Das Angebot an KI-unterstützenden Dienstleistungen explodiert derzeit. Daher bauen wir aus unserer Sammlung einen KI-basierten Chatbot. Dort können Handwerker dann in einem Chatfenster nach dem passenden Angebot suchen. Zum Beispiel mit folgenden Eingaben: „Ich bin Dachdecker. Ich habe 43 Mitarbeiter. Ich arbeite vorwiegend im privaten Instandsetzen von Dachkonstruktion, etc. Ich suche ein KI-Tool für die Angebotserstellung. Mach mir drei Vorschläge.“ Und dann antwortet dieser Chat mit Lösungen. Wenn es mal keine Lösung gibt, verweist er an uns, damit wir wissen: Da muss noch Gas gegeben werden in diesem Bereich. Diesen Chatbot kann bald jeder Handwerker frei online nutzen. Kostenfrei und neutral.
Inwieweit ist das Handwerk denn bereit die Hoheit über ihre Handlungen an so eine KI abzugeben?
Momentan sprechen wir gar nicht von „Künstlicher Intelligenz“, sondern von „Hybrider Intelligenz“, also der Zusammenarbeit zwischen Menschen und KI-Systemen. Die letzte Kontrolle und Freigabe erfolgen durch den Menschen. Das wird aufgrund der Arbeitsersparnis schon schnell akzeptiert.
„Momentan sprechen wir gar nicht von „Künstlicher Intelligenz“, sondern von „Hybrider Intelligenz“, also der Zusammenarbeit zwischen Menschen und KI-Systemen.“
In Deutschland immer wieder ein Thema ist der Datenschutz. Wie oft steht Ihnen der im Weg?
Ich finde diese Diskussion in Deutschland immer komisch. Einfach zu sagen, ja, warte mal, da gibt es ja jetzt ein AI-Akt und DSGVO da können wir nichts mehr machen – das ist Unsinn. Auch für Datenschutz gibt es Wege und Lösungen. Und auf der anderen Seite sind die Richtlinien ja auch teilweise gut, wenn man sich die Gefahren von KI mal anschaut. Ich finde es hochgradig richtig, diverse Bildgebungs-KI und Video-KI nicht jedem zugänglich zu machen. Sie bekommen sonst ein riesiges Kommunikationsproblem, auf das die Gesellschaft gar nicht vorbereitet ist.
Kann man momentan noch mit der technischen Entwicklung Schritt halten, wenn man nicht jeden Tag damit zu tun hat? Oder muss man das vielleicht gar nicht?
Dranbleiben sollte man schon, aber nicht an dieser Komplexität. Entweder ich monitore das mit automatisierten Tools, die mir regelmäßig einen Überblick über die aktuelle Situation geben oder ich kenne Leute, die für mich dieses Kuratieren übernehmen. So verstehen wir unsere Rolle. Wir kuratieren vor, so dass der Handwerker nicht mehr auf 800 verschiedene KI-Tools stößt, sondern nur noch auf die wirklich relevanten.
Kann ich als Handwerker bei der momentanen Entwicklung den Überblick bewahren?
Sie haben mehrere Demonstrationsstandorte. Was kann ich da denn angucken?
Also, wir haben ganz viele, ganz einfache KI-Gadgets. Zum Beispiel ein kleines Gerät, das 72 Sprachen spricht und es ist simpel aufgebaut: Es geht nur an und aus. Das ist der totale Renner auf Baustellen, weil es viel schneller und einfacher zu bedienen ist als ein Smartphone. Oder eine KI-Brille, die aber standardmäßig nur auf Englisch läuft. Da entwickeln wir gerade eine Version auf Deutsch, damit sie für das Handwerk nutzbar ist.
„Humanoide Roboter werden einfache Tätigkeiten im Handwerk übernehmen.“
Wo sehen Sie denn das KI-Thema in fünf Jahren im Handwerksbereich?
In fünf Jahren werden wir uns von generativen KI entfernt haben. Wir werden noch in diesem Jahr den Wechsel auf die Robotik sehen. Es gibt im Handwerk bereits einen Maler- und einen Dachdeckerroboter. Im nächsten Schritt wächst das zusammen mit künstlicher Intelligenz. Dadurch wird es einen Entwicklungssprung in der Robotik geben. Auch im Bereich der humanoiden Roboter wird man im nächsten Jahr die ersten humanoiden Roboter auf einer Baustelle haben, der sich wie ein Mensch bewegen, aber noch langsamer sein wird.
„Das Handwerk bleibt da, aber zuträgliche Tätigkeiten werden an Roboter abgegeben.“
Es gibt aber erste wissenschaftliche Studien und Berechnungen, ab wann diese Systeme den Mindestlohn knacken. 2027 könnte es schon so weit sein, und spätestens dann werden wir viele Anwendungen im humanoiden Roboter-Bereich auf deutschen Baustellen sehen. Die werden einfache Tätigkeiten im Handwerk übernehmen. Dabei muss man keine Angst haben, dass dann kein Handwerk mehr da ist. Das Handwerk bleibt da, aber diese zuträglichen Tätigkeiten werden an Roboter abgegeben, so wie wir das jetzt in einigen Bereichen im Handwerk schon sehen. Dazu gibt es im Moment sehr viel Forschung und es wird viel Geld investiert in humanoide Roboter-Systeme.
Letzte Frage, was passiert denn mit den Unternehmen, die sich dieser Entwicklung verweigern? Was glauben Sie, wo die in den nächsten Jahren stehen?
Also im Handwerk haben sie noch am meisten die Chance zu überleben, weil wir halt genug Handwerksbedarf haben. Aber wir steuern auf ein großes Problem der Altersvorsorge zu: Eines Tages muss man das Unternehmen in die nächsten Hände geben, weil man das selbst nicht mehr machen kann. Wenn ich die ganze Entwicklung verschlafe, dann habe ich ein Produkt geschaffen, was weder zu verkaufen ist noch irgendjemand haben will. Wir haben aktuell 162.000 Handwerksbetriebe in Deutschland, die übernommen werden wollen. Wer hier nicht in die Zukunft investiert, verliert schlicht und ergreifend eine Menge Kapital.
Zur Person:
Christoph Krause arbeitet im Mittelstand-Digital Zentrum Handwerk, das seit diesem Jahr ausdrücklich auch als neues Zentrum für künstliche Intelligenz – kurz KI — firmiert. Ziel ist es, KI im Mittelstand und Handwerk besser zu integrieren und die Unternehmen „KI-Ready“ – also bereit für künstliche Intelligenz – zu machen.